Jakob Lorber

Zusätzliche Erinnerungen an Jakob Lorber


Nachwort zur Erstauflage der Haushaltung Gottes von C. F. Zimpel
Auszug aus einem Brief von Paul Hüttenbrenner
Zeugnis von Maria Spinner
Bericht über die Auffindung des Geburtshauses Lorbers
Brief von Großneffe Oberbaurat A. D. in Graz

Nachwort zur Erstauflage der Haushaltung Gottes von C. F. Zimpel

Wortgetreue Abschrift in neuer Rechtschreibung

Carl Friedrich Zimpel
Carl Friedrich Zimpel

Seit ich das Vorwort zu diesem Werk schrieb, bis heute, wo dieser erste Teil dem geehrten Publikum hiermit übergeben wird, ist eine geraume Zeit verstrichen, da Umstände verschiedener Art eine frühere Publikation desselben unmöglich machten. Ich knüpfe dieses Nachwort an jenes Vorwort an, teils um den geneigten Leser von jedem etwaigen Zweifel über meinen Charakter und Anschauungsweise zu befreien – diesen also ganz offen und klar darzulegen, – teils um mehrfachen Wünschen und Einwendungen wohlmeinender Koryphäen der Bibelkunde und der christlichen Lehre zu begegnen. Ich tue dies umso bereitwilliger, als ich nur Mensch, und als solcher natürlich nicht vollkommen bin, daher auch dem Irrtum so gut wie jeder andere unterworfen sein kann. Ob und inwiefern dies aber in dem vorliegenden Fall stattfindet, darüber mögen folgende Zeilen entscheiden.

Seit mehreren Jahren mit dem eifrigsten Studium der neueren und neuesten Prophetie beschäftigt, namentlich der in diesem Jahrhundert Gelebten und Lebenden, von denen ich einige genau persönlich kenne, musste meine Aufmerksamkeit auch auf den Verfasser dieses Werkes gelenkt werden, als ich Manuskripte von ihm Gelegenheit hatte kennen zu lernen, die mir von Männern mitgeteilt wurden, deren Namen in ganz Deutschland, ich möchte sagen Europa, mit Achtung genannt werden, wie z.B. Dr. Just. Kerner in Weinsberg, und andere. – Das Urteil eines vom Publikum allgemein als rechtlich und christlich frommen, hochgeachteten Herrn, welcher den armen Propheten seit 12 Jahren fast täglich Gelegenheit nahm zu beobachten, war nächstens meine erste Bürgschaft für denselben. Demzufolge übergab ich das Manuskript einigen Celebritäten der deutschen gelehrten Welt, der Theologie und Philosophie, und zwar beider Konfessionen, der römisch-katholischen und der protestantischen, deren Urteil keineswegs ganz gegen das Werk sprach, und sich teilweise in der Vorrede befinden, und vom Herrn später beleuchtet wurden. Alsdann übergab ich dasselbe zum Lesen an Personen, gleichfalls beider Konfessionen, und zwar dem gebildeten und dem mittleren Stande angehörig; wo jedoch der Weltverstand nicht vorherrschend war. Hier, bei diesen Laien, fand entschieden überall die segensreichste Wirkung statt. Dies wurde entscheidend für mich, und ich folgte nun meinem eigenen Gefühl, und entschloss mich, mich der Herausgabe des Werkes zu widmen; worin ich durch die gemachte persönliche Bekanntschaft des Verfassers, und seine Beobachtung während mehreren Monaten bestärkt wurde. Ich machte an demselben folgende Bemerkung:

1) Derselbe ist ein eifriger Bekenner unseres Herrn Jesu Christi, und kann sonach, und besonders nach 1. Joh IV, 2 kein falscher Prophet sein.

2) Dieser harmlose, stille, fromme Mann, ohne wissenschaftliche Bildung hat ein vortreffliches Herz und teilt mit allen, die weniger haben als er selbst, stets seine geringe Gabe, die ohnehin nur in Almosen besteht, die er von einigen Freunden empfängt, bis zu einem Grade, dass ihn der Weltverstand für unbesonnen erklären würde. – Kann dies als ein schlechtes Zeichen bei einem Propheten betrachtet werden? Wahrlich nicht!

3) Wenn derselbe seine Kundgebungen, Mitteilungen, oder Offenbarungen, wie ich es immer nennen soll, schreibt oder diktiert, ist von einem Buche, selbst nicht einmal der Bibel, gar keine Rede – er besitzt überhaupt keine Bücher und liest auch nie – ebenso wenig von irgend einem Nachlesen des letzt geschriebenen oder diktierten Satzes, gleichviel ob die Unterbrechung fünf Minuten oder fünf Wochen oder länger gedauert haben mag, und ob irgend eine Störung dabei stattfindet, bei der jeder andere Mensch vollkommen unfähig sein würde, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu Papier zu bringen oder so vollkommen geordnet zu diktieren, als es hier der Fall ist. Er diktierte auf diese Weise ein anderes Werk von mehreren hundert Bogen der tiefsten Weisheit.

Welcher billig denkende, nur einigermaßen mit der Bibel und den darin erwähnten Propheten bekannte Mensch, kann dem Schreiber hiernach wenigstens einen gewissen Grad der Inspiration abstreiten, da z.B. die Ethnologie in diesem Werk in einer Art und Weise entfaltet ist, wie die größten Gelehrten Europas und Asiens, seit dem Bestehen des Menschengeschlechtes, ganz unfähig waren, sie zu ermitteln, während nun hier durch dieses Werk alle Zweifel, und aller Streit darüber geendet ist! – Dagegen muss ich auch doch zur Steuer der Wahrheit bekennen, dass derselbe eben so wenig als irgend ein anderer Mensch ganz frei von kleinen menschlichen Schwächen ist, und dass seine Kundgebungen, insofern sie sich auf materielle Sachen bezogen und mir bekannt wurden, bis jetzt nicht immer Erfüllung gefunden haben, welches Letztere bei den Propheten Englands dieses Jahrhunderts stets stattfand, und noch heute stattfindet. Wer wird aber hieraus allein Anlass zu dem Urteil eines falschen Propheten nehmen können? Ist nicht vielmehr billigerweise anzunehmen, dass der Herr Sich dieses menschlich noch unvollkommenen, also unreinen Gefäßes – wie alle Menschen, ohne Ausnahme, es sind – bedient, wofür Er allein in Seiner Weisheit gewiss den besten Grund haben wird. Wer will den ersten Stein zur Steinigung, Nach St. Joh. VIII, 7 aufheben? Sollte nicht jeder im Gegenteil sich selbst lieber fragen, ob er die guten Eigenschaften des Propheten besitze! Wird der (geistig) Hungrige die in einem unreinen Topf bereitete Speise, nur deshalb verwerfen, und es vorziehen zu hungern, als sich vielmehr daran zu sättigen suchen, so gut er es kann, als die ihm dargebotene, vielleicht auch ihm nur unrein scheinende Speise ganz unbeachtet liegen zu lassen? – während der Heißhungrige die scheinbar kleinen Teile des Anstoßes gar nicht achten, sondern die ganze Speise gierig verschlingen, und in diesem Falle auch gewiss zu seinem Wohlbehagen verdauen wird!

So mag dieser erste Teil hinaus in die Welt – im Namen Gottes! – Ist es Sein (Gottes) Wort, so wird Er es schützen, und ihm den Weg bereiten, wie Er es bei der Bibel getan, damit dann der zweite Teil bald folgen kann. – Ist dies nicht der Fall, und alle, die es bis jetzt mit mir für eine göttliche Offenbarung betrachten, im Irrtum, so wird dies hierdurch entschieden.

So geschehe denn nun der allein heilige Wille unseres Herrn und Gottes Jehova, Jesus Christus, Zebaoth! – Amen!

Im Frühjahr 1852

Der Herausgeber Ch. F. Zimpel

Auszug aus einem Brief von Paul Hüttenbrenner, dem ältesten Sohn Anselm Hüttenbrenners, an Christoph Friedrich Landbeck, geschrieben am 17. Januar 1878

Quelle: Das Wort 1980-03
Nachbearbeitung: neue Rechtschreibung und kleine grammatikalische Verbesserungen

Anselm Huettenbrenner
Anselm Hüttenbrenner

... Hinsichtlich der Biografie des J. L. habe ich beifolgend Retournierende genau mit meiner colationiert (verglichen) und gefunden, dass in selber bereits die Anmerkungen meines Vaters eingeflochten sind, dass somit Ihre Biografie-Abschrift eine vollkommen authentische sei.

Anmerkung: C.F. Landbeck hat Paul Hüttenbrenner seine Abschrift der Jakob Lorber Biographie von Leitner vorgelegt, der hier ihre Echtheit bestätigt.

Was Ihr Ansinnen hinsichtlich eines Anhanges zur Biografie Jakobs, worin dessen Leiben und Leben mit allen seinen Fakten und Mängeln geschildert wird, betrifft, bin ich der Auffassung, dass, je mehr der Mensch Jakob mit seinem Tun und Lassen verschwindet, dessen Werke desto größer und glänzender hervorleuchten sollten.

Um Ihrer Bitte jedoch nicht gänzlich aus dem Wege zu gehen, will ich Ihnen einiges aus Jakobs Leben mehr oder minder Beachtenswertes in Kürze mitteilen, was wohl nur zunächst Ihnen als dessen sehr eifrigen Anhänger, – zu wissen von einigem Wert sein dürfte; und greife daher auf das Jahr 1836 zurück, von welchem Zeitpunkt an ich mich mit lebhafter Freude an Jakob Lorber, unseren Klavierlehrer und Hausfreund erinnere, wie er täglich in den Abendstunden uns Unterricht im Klavierspiele erteilte, sodann mit uns das Abendbrot nahm, und hierbei Träume seltener Art, Tagesereignisse, Theatergeschichten und sonstige Erlebnisse und Begebenheiten in lebhaftester Weise erzählte, und unsere Teilnahme so zu fesseln wusste, dass wir kaum die Abendstunden erwarten konnten, um wieder Neues aus Jakobs Munde zu hören.

Besonders erinnerlich ist mir das Jahr 1840, wo Jakob sozusagen Familienglied geworden, nach bei uns eingenommenem Mittagsmale dasjenige der gesamten Familie vorlas, was er vormittags schrieb, während er in den Nachmittags- und oft Abendstunden meinem Vater das meiste in die Feder diktierte. So schritt allmählich das Gotteswerk unter vielen weltlichen Unannehmlichkeiten vorwärts und es geschah im Jahre 1853 insofern eine Veränderung, als mein Vater das Haus in der mittleren Laimburggasse, in welchem durch 13 Jahre nahe täglich eindiktiert wurde – verkaufte, von Graz wegzog, – während Jakob allein sein Werk fortsetzend, die letzten Jahre seines Lebens gerade in diesem Hause, als Partei im 1. Stocke wohnend, zubrachte und im Jahre 1864, wo er sehr krank war, einigen seiner Freunde, namentlich mir die letzten Mitteilungen aus dem „Johannes“ in die Feder diktierte, sodann in einigen Wochen darauf starb.

In seinem Verkehre war Jakob sehr leutselig und zuvorkommend, war trotz Armut stets fröhlichen Gemütes, konnte herzlich lachen und riss besonders im Theater bei gelungenen Szenen das Publikum zum Lachen mit. Gab es einen Ausflug oder sonst ein Vergnügen, da durfte unser Jakob nicht fehlen, um die rechte Stimmung hervorzubringen, die er durch launige Einfälle stets zu erhöhen wusste; auch sonst war er bei Alt und Jung beliebt, ein guter Gesellschafter.

Vor allem aber war Jakob ein großer Naturfreund; er bestieg, wo und wann er nur konnte, Berge, und labte sich an der Rundschau und an höheren Einflüssen! Am Grazer Schloßberg hatte er gewöhnlich sonntags ein großes Fernrohr aufgestellt und gestattete jedermann der vielen Spaziergänger die Benützung desselben, gab allseits bereitwilligst Auskünfte über die Rundschau, wurde auf diese Weise mit aller Welt bekannt, und durch sein schlichtes freundliches und volkstümliches Benehmen sehr populär. Auch astronomische Beobachtungen nahm er zuweilen vor, und weilte manche Sternennacht auf dem Schloßberg. Der edelste Zug seines Charakters aber war die uneigennützigste Nächstenliebe, die er gegen Unglückliche und Arme, ob er sie kannte oder nicht, übte, und oft alles hingab, was er besaß, ohne zu bedenken, wie er selbst fortkommen werde, sodass er genötigt war, seinen Freunden um Aushilfe zu kommen, was zur leidigen Folge hatte, dass mancher, anfänglich eifriger Anhänger am Ende sich zurückzog, und erkaltete.

Seinem äußeren Wesen nach hielt Jakob nicht viel auf Kleidung, trug langes Haar, war genügsam in Speise und Trank, ging ruhigen Schrittes, nach allen Seiten grüßend und dankend, trug Brillen und bediente sich bei jeder Gelegenheit eines mit einem Messingschuhe versehenen Stockes, den er auch zum Befestigen des Fernrohres benützte, da unter dem Messingschuhe sich eine Schraube befand, mit welcher er den Stock überall befestigen konnte.

Dies in Kürze über unseren lieben Jakob, was Ihnen gefälligst genügen möge!...

Zeugnis von Maria Spinner

Die folgenden zusätzlichen Erinnerungen wurden in Das Wort 1/1922 veröffentlicht und stammen von Maria Spinner aus dem Grazer Freundeskreis um Antonia Großheim. Der größte Teil ihrer Erinnerungen finden sich wortwörtlich beim Lorber Biographen Leitner. Hier jene Teile (großteils wortwörtlich), die bei Leitner nicht zu finden sind. Frau Spinner erklärte, dass es sich bei den zusätzlichen Erinnerungen um die genauen Worte von Frau Großheim handelt. Leitner hätte diese Ereignisse nicht erwähnt, weil solche Dinge in seiner Zeit nicht geschehen durften.

Antonia Großheim war eine treue Anhängerin Jakob Lorbers, die dem Grazer Freundeskreis mehrere Episoden aus dem Leben Lorbers erzählte, um den Menschen zu vermitteln, wie der gute Vater im Himmel die Seinen beschützt, leitet und führt. Obwohl sie selbst eine arme Witwe mit sechs Kindern war, und sich mit Nähen fortbringen musste, gab sie Jakob Lorber doch stets zu Essen, wenn er wieder einmal den ganzen Tag lang nichts gegessen hatte. Lorber konnte durch Stundengeben und Konzerte schön verdienen, hatte aber nie Geld, weil er so gut war, denn sowie er etwas verdiente, fand sein Geld bei den Armen schnellen Absatz. Frau Großheim hatte aber auch Freunde, und Gottes Hilfe war stets bei ihr.

Da Jakob Lorber ein so großer Musiker war, erhielt er einen Ruf als Kapellmeister nach Triest. Wer war glücklicher als Lorber? Er traf seine Vorbereitungen zur Abreise nach dort. Als alles bereit war, fuhr er in einem Einspänner zur Bahn. Als er am Bahnhof ankam, da war sein rechter Arm ganz steif, er konnte ihn nicht rühren. Da dachte er: „Was für ein Kapellmeister kann ich abgeben, wenn ich einen steifen Arm habe?“ Er fuhr also wieder zurück. Aber als er wieder in seinem Zimmer war, da war der Arm wieder gelenkig, und er sagte sich: „Ich fahre morgen; wegen einem Tag wird es nicht gefehlt sein!“ Als er dann des anderen Tages wieder am Bahnhof ankam, da war sein rechter Arm so steif wie den Tag zuvor, so dass er ihn nicht biegen konnte. Da merkt er, dass das eine Führung des Herrn sei, fuhr nach Hause, und der Arm war heil und gesund. – Wäre er nach Triest gekommen, so wäre er bei der vielen Arbeit und Aufregung nicht zum Schreiben des Wortes gekommen, und er hätte den Hauptzweck seines Lebens vernachlässigen müssen.

So führt der Vater die Seinen. Wer zu einem geistigen Zweck, zu einer geistigen Arbeit bestimmt, von Jugend auf vom Herrn dazu erzogen wird, der darf nichts selbständig tun, sondern muss dem Herrn die Führung überlassen und muss klein sein vor der Welt und unansehnlich; denn groß sein und etwas vorstellen macht eitel und hochmütig. Der Herr hat nur die kleinen, schwachen und unmündigen Kinder lieb. Darum stellte der Herr laut Bibel den Menschen ein Kind vor und sagte: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder so klein, im Denken und Handeln, so könnet ihr nicht ins Himmelreich eingehen!“ Warum? Drei Sachen, besser gesagt, Untugenden sind es, welche den Menschen nicht zum Vater kommen lassen: Hochmut, Habsucht und Herrschsucht.

Anmerkung: Frau Spinner kann nicht sagen, ob diese Episode vor oder nach der Berufung zum Schreiber geschah. Offenbar hat Jakob Lorber dieses für ihn vielversprechende Stellenangebot nicht so leicht aufgegeben, wie man nach der Biographie von Leitner meinen könnte.

Jener Israelite, der Jakob Lorber als Prophet Gottes erkannt hatte, und zu einem guten Freund wurde, hatte das Herz so voll, dass er vor seinen Glaubensgenossen nicht schweigen konnte. Diese hassten ihn darum, dass er abgefallen war. Bald darauf hatten die Juden eine Versammlung, zu der auch er geladen wurde. Dort gaben sie ihm einen Sitz auf einem durchsägten Brett. Er fiel, beschädigte sich innerlich sehr und starb bald darauf. Der Herr wird ihn schon zu sich aufgenommen haben.

Als Jakob Lorber mit dem Herrn haderte, weil er – wie so oft – kein Geld hatte, um Heizmaterial zu kaufen, da durfte er auf diese Murrerei ein ganzes Jahr lang nicht schreiben. Da wurde er ganz kleinlaut, warf sich, wie schon so oft, auf die Erde und bat den Herrn, ihm doch zu verzeihen. Als er so recht von Herzen unter Tränen der Reue den Herrn gebeten hatte und jammerte, dass der Herr ihm die Gnade genommen habe zu schreiben, da pochte es an der Tür und ein Bauer lieferte ihm Holz für den Winter, das schon bezahlt war. Durch Nachfragen erfuhr er dann, dass ihm dies sein Freund und Gönner, Bruder Ritter von Leitner gesandt hatte.

Dass selbst ein Prophet fehlen und sündigen kann ist doch ganz natürlich; denn die Gottheit zwingt ihn zwar in ihrem allmächtigen Geiste, in jener Zeit seiner Tätigkeit, die Gott von ihm fordert, streng nach Gottes Willen zu schreiben oder zu reden, aber nach der Arbeit ist er wieder in seinem Handeln frei. Dann kann er tun, was er will, also auch sündigen; aber er wird streng gestraft für jeden groben Fehler.

Anmerkung: Dass Jakob Lorber aufgrund seines Haderns ein Jahr lang nicht schreiben durfte, wird von Leitner nicht erwähnt. Wahrscheinlich wurde Lorber dies nur vom Herrn zu verstehen gegeben, der daraufhin verstummte, worauf Lorber um Verzeihung bat und dann das Holz geliefert wurde.

Bericht über die Auffindung des Geburtshauses Lorbers

Die folgenden Nachforschungen wurden in Das Wort 2/1931 veröffentlicht und stammen von Rudolf Kottie aus Graz, der nach Kanischa reiste, um sich dort an Ort und Stelle über die Familie Lorber zu erkundigen und von der Geburtsstätte Bilder aufzunehmen.

Jakob Lorber Geburtshaus
Jakob Lorber Geburtshaus

Ich fuhr von Graz bis Spielfeld, der letzten österreichischen Bahnstation, und ging von da, weil jeder Lokalverkehr mit Bahn oder Autobus nach Jugoslawien fehlt, zu Fuß über die Grenze – und zwar vorerst nach Jahring (slavisch: Jarenina), wo ich nach 2 ½ Stunden ankam. Der Wirt wies mich auf meine Anfrage an einen Oberlehrer i. P. namens Josip (Josef) Couc (sprich Tschoutsch), der sich sehr interessiert zeigte. Sowohl er wie auch ein alter Bauer, der zufällig im Gasthaus anwesend war, wussten, dass noch Leute namens Lorber in dem zu Jahring gehörigen kleinen Weiler Kanischa (slavisch Kaniza) lebten. Der Oberlehrer verschaffte mir einen Führer, der mich in etwa ¾ Stunden über die schneebedeckten Hänge auf die Höhe des Bergrückens führte, hinter der auf der Westseite bald zwei nebeneinanderliegende, recht einfache Häuschen (Kanischa) auftauchten, die noch jetzt von Weingärten umgeben sind.

Ich war nicht wenig überrascht, in dem einen Häuschen noch eine ganze Familie namens Lorber anzutreffen, von der der Vater und der Sohn noch gut deutsch sprachen, während die zwei Töchter anscheinend nicht mehr gut deutsch sprechen konnten. Der alte Bauer gab sich als Großneffe Jakob Lorbers, namens Moritz Lorber, zu erkennen. Er ist 1854 geboren und hat bis zum Jahr 1864 Jakob Lorber einige Male gesehen, da Lorber hie und da seine Verwandten aufsuchte. Moritz Lorber erkannte auch seinen Großoheim Jakob nach den Bildern in Leitners Lebensbeschreibung. Er hielt Jakob Lorber immer für einen „geistlichen Herrn“. Das Haus, in dem die Lorberschen jetzt wohnen, ist aber nicht Jakob Lorbers Geburtshaus, sondern das nur wenige Schritte daneben liegende, das ich von der Seite des erstgenannten Häuschens aus fotografierte.

Dieses frühere eigentliche Lorberhaus mit den Weingründen, die heute noch dahinter aufsteigen, gehörte bis zum Jahr 1921 Verwandten aus dem Familienkreis Lorbers und wurde dann von diesen verkauft. Nun gehört es einem jugoslawischen Lokomotivführer namens Bartholomäus Pirs (Pirsch), der zu Maribor (Marburg a. Dr.) wohnt. Haus und Weingrund sind verpachtet. Das Haus ist gut erhalten und hellbraun gestrichen. Der nach Westen gewendete Giebel ist vom Tal aus weit zu sehen.

Vom genannten Moritz Lorber erfuhr ich auch, dass ein Verwandter namens D. in Graz lebt. Ich suchte den Herrn, der Ingenieur und Baufachmann ist, auf und erhielt von ihm drei Lichtbilder der Geschwister Jakobs und eine gute Ansichtskarte von Jahring. Diese vier Stück überließ Herr Ingenieur D. leihweise dem (Neu-Salems-)Verlag, ersuchte aber um seinerzeitige Rückstellung. Da Herrn Ds. Mutter den Besitzanteil in Kanischa samt dem Geburtshaus Lorbers noch bis 1921 besessen hatte, konnte er auch das von mir aufgenommene Haus als das richtige feststellen. Der Besitz wurde nach dem Tod von Lorbers Vater an die Brüder Michael und Joseph und die Schwestern Cäcilia und Maria aufgeteilt. Jakob Lorber hatte außer den drei Brüdern noch zwei Schwestern: Cäcilia und Maria. Von Cäcilia stammt in dritter Generation Herr Ingenieur D. in Graz, von Maria stammt in zweiter Generation Moritz Lorber in Kanischa.

Nach all dem ist zu schließen, dass der ganze Besitz nicht klein war. Der alte Michael Lorber, Jakobs Vater, der nach Angabe des Herrn Ingenieur D. auch Weber war, muss also ziemlich wohlhabend gewesen sein. Es geht dies ja auch schon daraus hervor, dass die drei Söhne studieren konnten, was bei den damaligen Zeiten (Franzosenkriege) und den schwierigen Verbindungen keine Kleinigkeit war.

Herr Ingenieur D. bestätigte auch die Angabe Moritz Lorbers in Kanischa, dass die Mutter Jakob Lorbers Deutschmann, nicht Tautscher (Taucar), wie K. G. von Leitner schreibt, geheißen hat. Letzterer Name dürfte durch Slavisierung entstanden sein, wie sie die slavischen Pfarrer in den Matrikeln (Kirchenbüchern) gerne übten. Dem Namen Deutschmann nach ist mithin auch Jakob Lorbers Mutter (nicht bloß, wie Leitner meint, sein Vater!) deutschen Geblüts.

Graz, am 28. Dezember 1930, Rudolf Kottie.

Brief von Großneffe Oberbaurat A. D. in Graz

Die folgenden zusätzlichen Erinnerungen wurden in Das Wort 3/1932 veröffentlicht und stammen von dem Großneffen Jakob Lorbers, dem Oberbaurat A. D. in Graz, der mit seiner Mutter noch im Geburtshaus von Jakob Lorber wohnte. Die wesentlichen Teile des Schreibens werden – neu geordnet – größtenteils wortwörtlich wiedergegeben.

Cäcilia Lorber
Cäcilia Lorber

Nach den Nachforschungen des Dr. Michael Lorber (Lorbers Bruder) ist die Familie Lorber altadeliger Herkunft. In meinen Händen befindet sich noch ein von Dr. Michael Lorber selbstangefertigtes Stammbaumblatt, nach welchem unsere Vorfahren von einem gewissen Lauriga v. Lorberau abstammen sollen, welcher im Jahr 1540 wider die Türken stritt. Diese Stammtafel ist allerdings nur von 1540 bis in die vierte Generation, das ist bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, aufgestellt worden. An der östlichen Außenseite der Dominikanerkirche in Graz ist eine Grabinschrift dieses Geschlechts aus dem 17. Jahrhundert noch sehr gut erhalten zu sehen.

Die Vorfahren der Familie Lorber sind aus Bayern ins Wendenland eingewandert und sollen ihres Zeichens Weber gewesen sein. Auch mein Urgroßvater (Jakob Lorbers Vater) betrieb noch die Weberei in unserem Geburtshaus Nr. 4 der Gemeinde Kanischa. Der Hausname „kave“, zu deutsch Weber, erhielt sich noch bis auf meine Mutter und deren Bruder Josef. Aber nicht nur die Weberei, sondern auch der Hebammenberuf wurde von meiner Urgroßmutter und meiner Großmutter (Cäcilia Lorber, eine Schwester Lorbers) erfolgreich ausgeübt. Sie waren weit und breit als sogenannte Wunderdoktorinnen bekannt und begehrt und sind auch behördlicherseits dafür belobt worden. Die Landbevölkerung zeigte sich durch Naturalgaben sehr erkenntlich, was dieser ärmlichen, kinderreichen Kleinbauernfamilie sehr zustatten kam. Die männlichen Familienmitglieder pflegten eifrig Musik und Gesang, insbesondere die sogenannte Altsteirermusik, bestehend aus Harmonika, Zither, Hackbrett, Klarinette, ferner Geige, Kniegeige, Bassgeige, Flöte, Flügelhorn und sogenanntes Bombardon. Nicht nur zu Hause, wo auch ein kleiner Weinausschank geführt wurde, sondern weit und breit wurde zu allerlei festlichen Anlässen aufgespielt.

Meine Urgroßeltern, Jakob Lorbers Eltern, werden sehr schwierige Zeiten, darunter die Franzoseninvasion, mitgemacht haben. Da sie drei Söhne studieren ließen, so mussten sie wohl selbst viel entbehren. Meine Mutter erzählte mir, dass zur Zeit, als in Steiermark wegen Missernte, Kriegsfolgen usw. Hungersnot herrschte, meine Urgroßmutter ihren Söhnen des öfteren nach Graz Lebensmittel nachtrug, die lange, rund 60 km betragende Entfernung an einem Tag zurücklegte und am übernächsten Tag wieder ebenso heimkehrte. Gewiss ein rührender Beweis von Opfermut und Mutterliebe! Die Ferienzeit brachten die Studentlein dann wieder zu Hause in Kanischa fröhlich zu. Damals, in jener noch poetischeren Zeit, reisten viele Studenten durch die Lande, auf Pfarrhöfen, Klöstern, in reichen Bürgershäusern gern gesehen, verköstigt und beherbergt. Deklamieren, Musizieren und Singen machte sie besonders bei intelligenteren Leuten auf dem Land sehr beliebt. Als Instruktor, bzw. Hofmeister, wie dies damals wohl hieß, erteilten die Studenten gegen Verköstigung und Beherbergung auch während des Studiums den Kindern Begüterter Nachhilfe im Unterricht. Freitische nannte man es wohl auch. Auch Stipendien spielten eine wichtige Rolle im Leben solch armer, strebsamer Leutchen, welche nach viel Entbehrung mit eisernem Fleiß doch ihr Ziel erreichten.

Über Jakob Lorber hat mir meine Mutter eigentümlicherweise nicht viel erzählt. Sie war schon achtzehn Jahre alt, als er starb. Sie hatte vor ihm trotz aller Verehrung eine große Scheu empfunden, vermutlich wegen seines etwas zurückgezogenen Lebens und wohl auch wegen seines mächtigen Vollbartes. Er ermahnte sie oft und sprach vielleicht etwas zu ernst und salbungsvoll zu ihr. Dass er aber ein außergewöhnlich gütiger und barmherziger Mensch war, das hat sie mir wohl oft erzählt. Auch den Umstand vergaß sie nicht zu erzählen, dass er wegen seines eigenartigen Wesens von manchen gehänselt wurde und dass man seine Herzensgüte oft missbrauchte. Aber all dies ertrug er mit unendlicher Geduld und Milde.

Michael Lorber
Michael Lorber

Jakob Lorbers Bruder, Dr. Michael Lorber, war politischer Beamter (Kommissär) bei der Kärntner Landesregierung und weilte viel in Greifenburg a. d. Drau. Beim Bau der Drautalbahn in Kärnten war er bei den bezüglichen Verhandlungen mit den Gemeinden usw. tätig. Er erwarb auch das Schloss Porzia in Spital a. d. Drau. Infolge fehlgeschlagener finanzieller Spekulation verlor er jedoch nicht nur sein Vermögen, sondern auch das von seiner Gattin stammende Kapital sowie jenes seines Bruders Jakob, welches letzterer beim Tod des Vaters ererbt hatte. Später kam Michael dann in Graz bei seinem Studienkollegen Dr. Nedwed, Notar in Graz, unter, und zwar als Notariatssubstitut sowie als ständig bevollmächtigter Vertreter dieses Notars. Michaels erste Frau stammte aus der wohlhabenden Grazer Bürgersfamilie Schönwetter. Sie starb in noch jungen Jahren an einem Frauenleiden. Die Tochter Emma starb im Alter von achtzehn Jahren unvermählt infolge einer Verkühlung. Michael Lorber heiratete dann später seine Wirtschafterin, eine Kleinbauerntochter namens Lukner aus der Gegend von Friedau in Südsteiermark. Dort starb er auch auf seinem kleinen Weingut, welches er sich aus den Resten seines Vermögens ankaufte. Kinder sind dieser zweiten Ehe nicht entsprossen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit hervorheben, dass gewiss auch Michael Lorber ein seelenguter Mensch war, der für seine Verwandten das Möglichste tat. Er hatte nur leider in seinen Unternehmungen Unglück. Die damalige Zeit hatte infolge Umgestaltung der inneren Verhältnisse so manchen Bürger von verhältnismäßigem Wohlstand in dürftige Lage gebracht.

Josef Lorber und Frau
Josef Lorber und Frau

Der zweite Bruder Jakobs, namens Josef, war Lehrer und Posthalter in Greifenburg, welches damals eine viel wichtigere Rolle spielte als heute. Im Ruhestand lebte er auf seinem kleinen Besitz in Baierdorf bei Graz.

Von den Schwestern Jakob Lorbers kann ich berichten, dass die jüngere namens Maria schon in mittleren Jahren starb. Sie hatte drei Kinder: Franziska, Maria und Ernest. Franziska blieb ledig und hatte vier Kinder, wovon Moriz noch heute in Kanischa als Witwer mit seinen drei unvermählten Kindern und Johann in Triest im Kloster Notre Dame de Sion als Gärtner lebt. Franziskas Schwester Maria war ebenfalls in Kanischa verheiratet. Deren Tochter Maria Stuber lebt (1930er) als Witwe in der an Kanischa anstoßenden Gemeinde Getschnitz auf ihrer Besitzung. Franziskas Bruder, P. Ernest, war im Benediktinerstift Admont in Obersteier lange Jahre Küchenchef, Kellermeister, Wirtschaftsinspektor, Jagdverwalter usw. Er starb vor einigen Jahren im Adriaseebadort Cirkvencia.

Die ältere Schwester Jakobs namens Cäcilia (meine Großmutter) war mit einem ebenfalls Lorber heißenden, jedoch nicht verwandten Schneidermeister verheiratet und lebte auf unserem Geburtshaus. Sie hatte zwei Kinder, Josef und Maria. Ersterer hatte auch zwei Kinder Josef und Maria, welche in Graz leben. Cäcilias Tochter Maria (meine Mutter) war mit dem städt. Beamten Anton D. in Graz verheiratet und hatte drei Kinder: Maria vermählte Maierhofer in Wien lebend, Anna vermählte Matzun in Radkersburg (in Steiermark) lebend, und ferner meine Wenigkeit.

Es ist sehr schade, dass meine Mutter bald nach dem Kriegsende (1918) gezwungen war, das Haus in Kanischa zu verkaufen. Die Gründe für diesen ihr furchtbar schweren Entschluss waren pekuniärer Natur. Vor allem waren schuld die misslichen und schwierigen Verhältnisse, welche sich infolge der Einverleibung dieses vor 100 Jahren noch zum überwiegenden Teil deutschen Sprachen-Grenzgebietes in das neugegründete jugoslawische Königreich für Ausländer ergaben. Krankheit, Alter, missliche Erfahrungen, Geldmangel, Verpflegungsschwierigkeiten, unfreundliche Haltung von Behörde und Bevölkerung – dies alles hat sie schließlich zum Aufgeben ihres teuren Heimatls bewogen.

Die sich auf Jakob Lorber beziehenden Sachen sind schon lange davor von Verwandten der Frau Großheim von Kanischa nach Graz gebracht worden.

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